Hochsensibilität - gut möglich, dass dieses Wort in den letzten Jahren oder Monaten, per Social Media schon einmal deinen Weg gekreuzt hat. Neuartiges Modewort? Kann sein. Aber das, was es beschreibt - absolut nicht.
Ich war noch ganz klein, als es Momente gab, in denen mir alles zu viel wurde. Zu intensiv, ohne jeglichen (für mich) erkennbaren Auslöser. Es gab einfach so viele Emotionen, die ich nicht verstehen oder zuordnen konnte. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich erkannte: nicht alle davon gehören tatsächlich mir. Das war beängstigend, denn weder verstand ich es, noch konnte ich sie unterscheiden oder mich gar davor schützen.
"Hochsensibilität bedeutet sowohl eine hohe Sensitivität für subtile Reize als auch eine leichte Übererregbarkeit.", beschreibt es Psychologin Elaine N. Aron klick. Die Mental Coach Jessica Stellwag klick sagt dazu, "... sind in der Lage Emotionen, Geräusche, Gerüche, Menschen, Berührungen und Reize jeglicher Art stärker & intensiver wahrzunehmen."
Bei hochsensiblen Menschen ist also der Reizfilter durchlässiger als üblich und somit aufnahmefähiger, aber auch schneller überreizt.
Und nein, das ist keine psychische Krankheit, sondern schlicht und einfach ein Wesenszug. Es muss also weder behandelt noch diagnostiziert werden. Im Grunde wissen Hsp (highly sensitive person/people) sowieso schon, dass irgendetwas bei ihnen anders ist, als bei den meisten. Aber dem Kind einen Namen zu geben, zu wissen, dass man nicht alleine damit ist und dass es sogar Techniken gibt, besser damit zurechtzukommen - ja es sogar als ein Geschenk anzunehmen - ist heilsam.
Lange Rede, kurzer Sinn - du möchtest jetzt wissen, was Hsp, allgemein gesprochen, so auszeichnen? Im Internet findest du (unter anderem von den zwei anfangs erwähnten Expertinnen) Listen, die dir bei dieser Frage helfen können. Typische Charakterzüge sind zum Beispiel folgende:
Die Liste umfasst noch einige weitere Punkte. (Hier gehts zum vollständigen Test.) Alles davon kann, nichts muss. So gibt es Hsp, die sehr stark auf Gerüche oder zB. Geräusche von Maschinen reagieren, von den emotionalen Aspekten aber nicht betroffen sind. Wie überall gilt: Kein Mensch ist gleich. Findest du dich hier allerdings nur in der Reaktion auf Koffein wieder (dem ich zum Beispiel gar nicht zustimmen kann), kannst du die Sache aber guten Gewissens für dich streichen.
Bitte denk auch daran, dass zwischen hochsensibel und eiskalt eine ganze Palette an Stufen existiert. Dennoch, hsp sind nicht mal sooo selten. Geschätzt betrifft es ungefähr 20% der Weltbevölkerung und das durch jede Epoche.
Warum du viele "Selbsthilfebücher" und negativ angehauchte Ratgeber über das Thema Hochsensibilität finden wirst? Ganz einfach, wenn du Emotionen besonders tief und vielschichtig erspüren kannst, so sind die Hochs unendlich hoch und die Tiefs unendlich tief. Das kann belastend in einer Welt sein, die laut, oft brutal, ungewiss und im Wandel ist. Manchmal möchte und kann man all das nicht mehr fühlen.
Mein persönlicher "Werdegang" in diesem Zusammenhang, hatte so einige Stolpersteine. Tatsächlich folgte auf das Erkennen und dem Gefühl der Schwäche (zu sensibel für diese Welt zu sein) ein absolutes Dichtmachen der Schotten. Gerade bin ich am Hinfühlen, wie ich mich diesbezüglich wieder öffnen kann. Diesem Weg muss ich Zeit geben.
Hochsensibilität, kann anstrengend und beängstigend sein - es fordert viel Mut sensitiv zu sein, in einer Welt wie unserer. Aber es ist eine Stärke und ich würde dieses Erleben nicht eine Sekunde eintauschen wollen, gegen eine verblasste und abgestumpftere Version all dessen. Das Wunder in den kleinen Dingen sehen zu können, auf Signale zu achten, die vielen verborgen bleiben, alles so farbenfroh und intensiv sehen und erleben zu dürfen - ich würde es um nichts auf der Welt eintauschen wollen.
Kommentar schreiben